Die Stadtbibliothek empfiehlt

Kastelau - Charles Lewinsky (Nagel & Kimche Verlag) ausleihen  als eBook 

394 Seiten

Nur durch Briefe, Interviews und Tagebucheinträge erzählt Lewinsky die Geschichte einer Filmcrew. die während des 2. Weltkrieges aus Berlin ins abgelegene Kastelau flüchtete. Dies gelingt ihnen nur, weil sie vorgeben, dort einen kriegsentscheidenden Film zu drehen. So verbringen sie lange Tage in einem Dorf, das vom Krieg eigentlich nichts mitbekommt. Doch die Stimmung steht immer auf der Kippe und mehr als einmal stehen sie kurz davor, entdeckt zu werden. Durch die lebensnahe Erzählweise Lewinskys hat man das Gefühl, mit den Charakteren persönlich zu sprechen und mit ihnen die kalten Tage zu verbringen. Auf jeden Fall empfehlenswert!

  

Andersland - Regula Portillo (Edition Bücherlese) ausleihen  als eBook 

272 Seiten

Erstens kommt es anders … und zweitens als man denkt. Doch der neue Roman von Regula Portillo Andersland ist definitiv eine Lesereise wert. Dieser Roman, der berührt den Lesenden tief und das ganz ohne beschönigende Schnörkel. Schicksalsschläge, verdrängte Familiengeheimnisse, Lebenslügen – die Geschichte einer entwurzelten Frau, die um ihre Identität kämpft. Es wird von Heimat, Liebe, Vorurteilen, Verlust, Hoffnung, Sprache, Identität, sowie vom Leben zwischen den Ländern, die einerseits Herkunft bedeuten und andererseits den Nöten, die keine Grenzen und keine Sprache kennen, erzählt. Die Hauptfigur Matilda wird nach dem frühen Tod ihres alleinerziehenden Vaters von der Schweiz nach Mexico gebracht, wo sie bei ihrer Mutter in einer ihr völlig fremden Kultur aufwächst. Gerne wäre Matilda bei ihrem Onkel in der bekannten Umgebung geblieben. Aber die Behörden verbieten dies, denn der Onkel ist schwul. Obwohl die Verbindung zur alten Heimat völlig abbricht, bleibt in Matilda die Erinnerung an früher immer wach. Als Matilda eine junge Frau ist, versucht sie ihre verschütteten Wurzeln wiederzufinden. Nicht nur Matilda selbst ist in ihrem ganzen Leben durch die Geschehnisse und Entscheidungen nach dem Tod ihres Vaters geprägt. Ebenso ihr Onkel in der Schweiz kann sich mit diesem Verlust nicht abfinden. Auch für ihn beginnt ein Kampf um Gerechtigkeit, für sich, sein Leben und nicht zuletzt auch ein politischer Kampf um Gleichberechtigung und das Recht auf Selbstbestimmung. Packend geschrieben, doch zugleich sensibel und vielschichtig entwickeln sich die Geschichte, sowie die auftretenden Protagonisten zu einem kunstvollen Ganzen. Ein Ganzes, das lange nachwirkt und nicht so schnell vergessen geht. Das ist Literatur voller Leben und Eindrücken, mit einer bewegenden Rahmenhandlung, geschrieben in einer reichen Sprache. Ein ganz und gar lesenswertes Buch einer sehr sympathischen Schweizer Autorin.

 

Ermittler-Duo Berger & Blom - Arne Dahl (Piper Verlag) ausleihen als eBook 

SIEBEN MINUS EINS
(416 Seiten)
SECHS MAL ZWEI
(400 Seiten)
FÜNF PLUS DREI
(416 Seiten)
VIER DURCH VIER
(448 Seiten)

 

 

Von der Subtraktion (Sieben minus eins) über Multiplikation (Sechs mal zwei) und Addition (Fünf plus drei) bis zur Division (Vier durch vier) – endlich wieder eine Buchserie aus der Feder Arne Dahls. Im Zentrum steht das Ermittler-Duo Berger und Blom, zu Beginn wissen die beiden allerdings noch nichts von ihrem Glück später gemeinsam gegen die Widrigkeiten der Russischen Mafia und darüber hinaus vorzugehen.

Alles beginnt mit einer Serie mysteriöser Entführungsfälle junger Frauen, die erst nach und nach miteinander in Zusammenhang gebracht werden können. Um dieses Verschwinden aufklären zu können, müssen verzwickte Allianzen gebildet werden und es gelangt Unterstützung aus unerwarteter Richtung an die Ermittler. Nach zwei Jahren schöpferischer Pause hätte Arne Dahl mit dem Auftaktroman zu seiner neuen Reihe nicht besser starten können. Es empfiehlt sich, jetzt wo alle Teile erschienen sind, mindestens ein Lesewochenende einzuplanen, um alle vier Bücher am Stück lesen zu können. Denn es geht nicht weniger spannend weiter: Berger und Blom legen sich mit dem Geheimdienst an und werden am Ende doch von den Gejagten zu den Jagenden. Auch der vermeintlich perfekte Verbrecher hat gegen die beiden Ermittelnden keine Chance, auch wenn dieser am Ende doch eine Überraschung parat hält, die vermuten lässt, dass Arne Dahl mit diesen vier Teilen seiner neuen Serie noch lange nicht am Ende angekommen ist. Zu wünschen wäre dies auf jeden Fall für alle eingefleischten Krimi- und Spannungsfans.

 

Nach der Flut das Feuer - James Baldwin (dtv Verlag) ausleihen  als eBook

128 Seiten 

James Baldwin, 1924 in New York geboren, wuchs bei seiner Mutter und seinem Stiefvater, einem Baptistenprediger, im Harlem der 20er und 30er Jahre auf. Die Familie war arm, der Stiefvater predigte und verurteilte mehr, als dass er sich um die Schwierigkeiten des heranwachsenden Jungen kümmerte. Baldwin begann, nachdem es ihm gelungen war, sich von den Bandenaktivitäten in seinem Viertel fernzuhalten, zu schreiben und engagierte sich stark in der Civil Rights Bewegung. Er schrieb diverse Romane, Erzählungen, Dramen, ein Gedichtband und zahlreiche Essays. Baldwin setzte sich in all seinen Texten mit der afroamerikanischen Thematik in der amerikanischen Gesellschaft und der damit verbundenen Ungleichbehandlung auseinander. "Nach der Flut das Feuer" ist das Buch, das James Baldwin weltweit berühmt machte und auf das alle zeitgenössischen Bücher zum Thema Rassismus zurückgehen. Baldwin war zehn Jahre alt, als er zum ersten Mal Opfer weisser Polizeigewalt wurde. 30 Jahre später, 1963, brach sich das Werk wie ein Inferno über die amerikanische Gesellschaft herein - und wurde sofort zum Bestseller. Baldwin rief im Brief an seinen Neffen und in einem weiteren Essay dazu auf, dem rassistischen Albtraum, der die Weissen ebenso plage wie die Schwarzen, gemeinsam ein Ende zu setzen. Ein Ruf, der heute wieder sein ganzes provokatives Potenzial entlädt. Die Werke von James Baldwin wurden in den letzten Jahren neu übersetzt, verlieren aber, in der heutigen Zeit keinesfalls an ihrer Bedeutung oder Wirkung. Ganz im Gegenteil, die heutigen Parallelen zur USA der 60er Jahre sind regelrecht erschreckend. Ein kleines Büchlein, welches im Umgang mit der Rassismusthematik sensibilisiert.

 

Die Bagage – Monika Helfer Hausmann (Carl Hanser Verlag) ausleihen als eBook

160 Seiten

Der österreichischen Autorin, Monika Helfer, gelingt es in ihrem Roman ihre persönliche Familiengeschichte mit fiktiven Passagen zu verbinden und erschafft dabei ein Werk, bei dem es nicht primär um exakte Rekonstruktion der Vergangenheit geht, sondern vielmehr um die Erschaffung von Geschichte. So hält sich die Schriftstellerin nicht an eine lineare Erzählform und nutzt die Freiheit der Literatur, um mit Zeitsprüngen die Porträts der Familie zu entfalten. Helfer nutzt die hinterlassenen Bausteine der Familiengeschichte, um über die eigene Herkunft zu reflektieren und geht über die blossen Rückblicke hinaus. Auf bemerkenswerte Art und Weise befasst sich die Autorin, deren Ich-Erzählerin aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts berichtet, mit Erinnerungen ihrer Verwandten und verleiht dem Drama mit ihrem Schreibstil eine lebhafte Struktur.

Laut Duden beschreibt der Begriff «Bagage» [1] eine Gruppe von Menschen, über die man sich ärgert. So verrät die Autorin mit dem Titel des Werkes, dass es sich bei ihrer Familie um eine Menschengruppe handelt, die keine hohe Beliebtheit geniesst. Die Familie Moosbrugger wohnt am Rande der Zivilisation, im hintersten Fleck eines kleinen Bergdorfs in Österreich. Sie leben in einfachen Verhältnissen, haben klare Rollenverteilungen und «das nackte Überleben» bestimmt ihren Alltag. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Helfers Grosseltern, die aussergewöhnlich schöne Maria und der furchteinflössende Josef. Die grenzenlose Attraktivität Maria Moosbruggers nimmt einen grossen Einfluss auf die Familienbiographie und somit auf das hier vorgestellte Werk. Die Männer können den anziehenden, weiblichen Reizen kaum wiederstehen und Maria wird ihr Aussehen zum Verhängnis werden. Die Dorfbewohner lassen es sich nicht nehmen Lügen und Legenden über die «Bagage» zu verbreiten. Lügen und Legenden, die über Generationen hinweg die Familiengeschichte prägten und auch im Leben der Autorin weiterhin ihren Platz einnehmen. 

Zusätzlich trägt auch die Weltgeschichte ihren Teil zur Biographie der Familie bei. Bald bricht der erste Weltkrieg aus. Nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajevo, wird Josef zum Dienst an der Front einberufen. Das Leben der Familie wird auf den Kopf gestellt. Plötzlich stehen Maria und die Kinder alleine da. Die Abwesenheit des Vaters zwingt vor allem die Knaben dazu, schnell erwachsen zu werden, indem sie fortan seine Aufgaben übernehmen müssen. Eindrucksvoll ergründet Monika Helfer die Spuren, die dieses erschütternde Weltgeschehnis in dem abgelegenen Tal in Österreich hinterliess. Dabei geht sie sowohl auf das Schicksal der eigenen Familie als auch der Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes ein. Die Existenz der «Bagage» ist nicht Josefs einzige Sorge, er fürchtet, dass die Männer des Dorfes seine Absenz ausnutzen, um an die schöne Maria heran zu kommen. Deshalb soll der Bürgermeister sich um seine Ehefrau kümmern. Doch auch ihm scheint es schwer zu fallen, der Versuchung Stand zu halten. Die missliche Lage nötigt die vaterlose Familie neue Wege einzuschlagen, um sich mit allen Mitteln gegen jegliche Bedrohung zu schützen. Die Umstände haben Folgen in den Leben aller Kinder und hinterlassen tiefe Spuren in deren Biographien. Diesen Spuren geht Monika Helfer nach, indem sie die Nachkriegswelt ihrer Grosseltern ergründet, die sich in die Leiber der Onkel, Tanten und der Mutter eingeschrieben haben. 


[1] https://www.duden.de/rechtschreibung/Bagage

 

Taubenleben - Paulina Czeinskowski (Aufbau Verlag) als eBook

224 Seiten

Aufgrund eines ungeschützten One-Night-Stands entscheidet die junge Protagonistin, Lois, einen AIDS-Test zu machen. Auf die Ergebnisse wartend, beginnt Lois sich Gedanken über das Leben, über ihr Leben zu machen und versucht herauszufinden wer sie eigentlich ist.Dabei spielt die Liebe eine zentrale Rolle, nicht nur die romantische Liebe, sondern auch die Liebe zur Freundin, zu den Eltern und vor allem zu sich selbst.Zu ihrer Mutter fühlt sich Lois wenig verbunden, bereits vor dem Tod des Vaters hatten die beiden keine innige Beziehung. Danach teilten sie nur noch schweigsame Abendessen und wenige nahe Momente.

Durch die intensive Auseinandersetzung mit ihren Beziehungen beginnt die Figur einen Weg des Suchens und Findens, der mit Zweifeln, Verlusten und neuen Erkenntnissen verbunden ist. Im Laufe des Romans stellt sich die Protagonistin ihren Ängsten und schlägt neue Richtungen ein, die die Verhältnisse zu ihren Mitmenschen umkippen. Besonders zum Schluss nimmt das Werk nochmal an Fahrt auf und die Autorin berührt die Leserschaft mit einem bewegenden Ende.

 

Liebes Kind – Romy Hausmann (dtv Verlag)  ausleihen  auch als eBook 

432 Seiten

Ein Psychothriller, der diese Bezeichnung verdient hat. Romy Hausmann schreibt ohne unnötiges Blut zu vergiessen, schafftes aber trotzdem den Lesenden nicht mehr loszulassen. Es ist die meiste Zeit nicht klar, wer genau die Hauptperson ist, verschiedene Szenensprünge und Perspektivenwechsel halten die Spannung die ganze Lesezeit aufrecht. Diese ist, trotz der mehr als 400 Seiten, recht kurz – es ist einfach nicht möglich, das Buch aus der Hand zu legen, ohne zu wissen wer denn nun das Liebe Kind ist. Oder eben auch nicht.

 

 

Marta schläft – Romy Hausmann (dtv Verlag)  ausleihen  auch als eBook 

400 Seiten

Das zweite, nicht minder, aber auf eine andere Art und Weise, spannende Buch von Romy Hausmann. Eine verurteilte Verbrecherin, die nichts lieber möchte, als ein normales Leben zu führen. Leider gibt es Kräfte, die sie an genau dem hindern möchten. Ein perfides Ränkespiel nimmt seinen Lauf – Ausgang: Ungewiss.

 

 

 

Die ewigen Toten – Simon Beckett (Rowohlt Verlag)  ausleihen  auch als eBook 

480 Seiten

Der Klappentext liest sich sehr spannend und verleitet dazu, das neueste Buch rund um den Forensischen Anthropologen David Hunter unbedingt lesen zu wollen. Leider dümpelt die Handlung und der Spannungsaufbau nach dem vielversprechenden Anfang nur so vor sich hin. Da es sich bereits um den sechsten Fall für die Hauptfigur handelt, werden vermehrt persönliche Details in die Handlung eingeflochten, die es für die Lösung des primären Mordfalls nicht braucht. Eine atemberaubende Atmosphäre kommt so leider nicht auf.

 

 

Drei – Dror Mishani (Diogenes Verlag)  ausleihen  auch als eBook oder eAudio

336 Seiten

Ist auf den ersten Blick nicht als Krimi zu erkennen, wird auch nicht als solcher beworben. Es braucht etwas Zeit, um den Sprachrhythmus und vor allem die Umgebungsumstände, die Geschichte spielt sich in Israel ab, zu durchschauen und zu verstehen. Dror Mishani schafft es aber innerhalb der drei einzelnen Schicksale immer genau so viel an Information und Wendung hineinzupacken, dass es schwerfällt, das Buch aus der Hand zu legen. Das Highlight ist definitiv das überraschend unerwartete Ende!

 

 

Keiths Probleme im Jenseits – Linus Reichlin (Galiani Verlag)  ausleihen  auch als eBook 

256 Seiten

Das Buch erzählt von einem gelangweilten Physiklehrer, der eigentlich gerne Rockstar geworden wäre. Sein Idol - Keith Richards - ist kürzlich verstorben, das macht ihm sehr zu schaffen. Eines Tages ruft ihn ein Bekannter an, der Arzt von vielen Stars ist, unter anderem auch von Keith Richards. Es sei ein Notfall. Das Problem: Keith Richards ist von den Toten auferstanden und lebt nun im Geheimen auf einer karibischen Insel. 

Eine lustige, originelle Geschichte, locker und lebensnah erzählt durch den Physiklehrer, der Keith erklären soll, wieso seine Wiederauferstehung eigentlich doch relativ wahrscheinlich ist.

 

 

Wurfschatten – Simone Lappert (Diogenes Verlag)  ausleihen  auch als eBook 

256 Seiten

Ada lebt alleine in Basel. Obwohl sie eine begabte Schauspielerin ist, lebt sie vom Ertrag aus kurzen, nebensächlichen Rollen. Ängste beherrschen ihr Leben. Sie hat ihnen sogar ein eigenes Zimmer gewidmet. Bilder von schrecklichen Krankheiten, Unfällen und Geschehnissen tapezieren die Wände des Raumes, in den sie flüchtet, sobald sie eine Panikattacke überkommt. Die junge Schauspielerin ist gezwungen sich nach den Launen dieser Ausbrüche zu richten, die ihren Lebensrhythmus bestimmen. 

Gelähmt von diesen Qualen verlässt sie kaum mehr das Haus und verbringt viel Zeit damit Strategien und Rituale zu entwickeln, um die Ängste zu besänftigen. So kommt es, dass sie konsequenterweise nicht mehr genügend Geld verdient, um die Miete zu bezahlen und Schulden fangen sich an zu häufen. Als der Vermieter merkt, dass Ada die offenen Rechnungen nicht ausgleichen wird, findet er eine Lösung, die das Leben der Protagonistin auf den Kopf stellen wird.

 

 

Koala – Lukas Bärfuss (Wallstein Verlag)  ausleihen  auch als eBook 

184 Seiten

Der Roman beginnt mit einer äusserst intimen Geschichte aus dem Leben des Erzählers: dem Selbstmord seines Bruders. Mit dem Werk kann sich der Autor den Bruder vergegenwärtigen, mit welchem er keine sehr intime Beziehung pflegte. Der Protagonist spürt der Lebensgeschichte des Bruders nach, über die er nicht viel zu wissen scheint. Warum nannten ihn seine Freunde Koala? Wie kam es zu diesem Namen? Hängt das Schicksal des Bruders mit dem australischen Tier zusammen? Um diesen eventuellen Zusammenhängen nachzugehen, gerät die Geschichte dieser Tierart in den Blick des Autors, der die Leserschaft auf eine historische Reise ans andere Ende der Welt mitnimmt. 

Ausgehend vom Selbstmord des Bruders behandelt Bärfuss den Suizid als gesellschaftliches Phänomen. Der Bruder als lebensuntüchtig erklärt, konnte, so der Ich-Erzähler dem Druck der Leistungsgesellschaft nicht standhalten oder hat er sich gar bewusst von ihr abgewendet? Ist «Koala» ein Roman oder doch eher eine Trauerarbeit, oder gar Selbsttherapie, die den steinigen Weg der eigenen Rettung nachzeichnet?

 

 

Für ein Alter, das noch was vorhat – Ludwig Hasler (rüffer & rub Verlag)  ausleihen 

144 Seiten

Frau und Herr Schweizer sind seit 1970 im Durchschnitt um 10 Jahre älter geworden[1], Männer werden so durchschnittlich 82 Jahre alt und Frauen gar 85 Jahre. So bleibt, wenn es die Gesundheit zulässt, auch mehr Zeit nach der Pensionierung, um sich noch etwas vorzunehmen. Geht es nach Ludwig Hasler, soll diese Zeit aber mitnichten zum Ausruhen genutzt werden. Die noch vorhandene Energie soll im Gegenteil für Engagement eingesetzt werden, um sich und anderen Pensionierten Entwicklungsperspektiven zu bieten. Reisen ist gut und schön, das sagt auch der Philosoph Ludwig Hasler. Nur, wo liegt der Mehrwert im Reisen, wenn selbst an den entferntesten Orten doch zu einem grossen Teil Touristen anzutreffen sind, die auch gern reisen? Warum viel Zeit und Energie in die eigene Zukunft investieren, wo diese doch mit jedem Jahr weiter schrumpft? Diese Energie sollte, so Hasler, lieber dazu genutzt werden, um gerade junge Menschen zu fördern, die sich noch entwickeln und dann ihrerseits etwas weitergeben können.  


 

 

Nellie Bly – Nicola Attadio (Orell Füssli Verlag)  ausleihen 

214 Seiten

Die Biografie über Nellie Bly ist die unglaubliche Lebensgeschichte der ersten amerikanischen Undercover-Reporterin. Im September 1887 klopft diese junge Frau an die Tür von John Cockerill, dem Direktor von Joseph Pulitzers Zeitung New York World. Sie verlangt etwas bis dahin Unmögliches von ihm: er soll sie als Reporterin einstellen. Keine Frau hat sich bisher so weit vorgewagt. Ihr Name ist Elizabeth Cochran, sie ist 23 Jahre alt, sie schreibt zu diesem Zeitpunkt bereits seit drei Jahren unter dem Pseudonym Nellie Bly für den Pittsburgh Dispatch. Geschafft hat sie dies aufgrund eines Leserbriefes, den sie verfasst hat. Ihr Talent wurde erkannt und so nahm ihre beeindruckende journalistische Karriere, vielleicht sogar eine der grössten in Amerika, ihren Lauf. Nellie Blys Idee, undercover in die psychiatrische Frauen-Anstalt Blackwell's Island zu gehen und aus erster Hand über die dortigen Zustände zu berichten, überzeugt Cockerill. Es entsteht eine zweiteilige Reportage, die in die Geschichte des Journalismus eingeht und weit über New York hinaus Schlagzeilen macht. Sie reist allein und in Rekordgeschwindigkeit um die Welt, genauer in weniger als 80 Tagen, wird zum Albtraum korrupter Politiker und berichtet von Beginn an als einzige Kriegsreporterin von der Ostfront des Ersten Weltkriegs, wo sie vier Jahre lang bleibt. Die furchtlose Frau und Starreporterin, die ihr Leben in die eigenen Hände nimmt und mit spitzer Feder die Zustände ihrer Zeit hinterfragt, ist auch heute noch von grösster Aktualität. 

 

 

Kraft – Jonas Lüscher (C.H.Beck Verlag)  ausleihen auch als eBook 

240 Seiten

Der Rhetorikprofessor aus Tübingen, Richard Kraft, befindet sich in finanzieller Not. Aufgrund seiner misslichen Lage entscheidet sich der Protagonist an einem Wettbewerb im Silicon Valley teilzunehmen. Wer die schlüssigste Antwort geben kann auf die Frage, warum alles, was ist, gut ist, und wie wir es dennoch verbessern können, erhält eine Million. Damit knüpft Jonas Lüscher an die sogenannte Theodizee-Frage an, die Leibnitz einst gestellt hat: Warum gibt es das Übel in der Welt, wo es doch einen allmächtigen, allwissenden und allgütigen Gott gibt?

In seinem Roman weitet der Schweizer Autor die Frage auf die heutige Zeit aus, indem er nach der Allmacht der Technik fragt.

 

 

Der Sprung – Simone Lappert (Diogenes Verlag)  ausleihen  auch als eBook 

336 Seiten

Eine junge Frau steht auf dem Dach eines Hauses, schmeisst mit Ziegeln um sich und erweckt den Anschein demnächst runterzuspringen. Die Leute lassen es sich nicht nehmen Aufnahmen mit ihren Handys zu machen und das Geschehen lauthals zu kommentieren. Wo Polizei, Krankenwagen, Feuerwehr und das Fernsehen vor Ort sind, lassen Gaffer, bekanntermassen, nicht lange auf sich warten. 

Doch wer ist diese junge Frau? Warum steht sie dort oben? Und wird sie tatsächlich springen?

Der Roman von Simone Lappert verwebt auf geschickte Art und Weise die Lebensgeschichten der unterschiedlichen Protagonisten zu einer Narration und zeigt dabei auf, wie aus den Biographien einzelner ein Geflecht namens Gesellschaft entsteht.

 

 

Das Leben des Vernon Subutex 1-3 – Virginie Despentes (Lenos Verlag)  ausleihen

1) 400 Seiten  2) 400 Seiten  3) 416 Seiten 

Die französische Schriftstellerin Virginie Despentes hat mit den Büchern um Vernon Subutex eine vielbeachtete Trilogie geschaffen, die offen und direkt über den sozialen Abstieg des Titelhelden berichtet, ohne diesen zu denunzieren. Vernon lebt einsam und verarmt, isoliert sich im Verlauf der Handlung immer mehr von seinem Umfeld. Trifft sich nicht mehr mit seinen Freunden, geschweige denn mit Frauen. Eine realpersönliche Begegnung mit anderen Menschen ist kaum noch möglich, alle sind auf sich selbst und ihr Leben, was auch nicht immer tadellos in Ordnung ist, fixiert. Kommunikation findet immer wie mehr online und über soziale Medien statt. So ist es bequem. Alles scheint erreichbar, mit minimalstem Aufwand. Bis das Geld zu knapp wird, um die Miete zahlen zu können. Plötzlich kommt Bewegung ins Leben. Muss mit Bekannten und neuen Bekanntschaften geredet und sich auseinandergesetzt werden. Der Protagonist Vernon zieht sich mit seiner Suche nach dem Leben durch alle drei Bücher. Es kommen aber durchaus, in rascher Abfolge vorgestellte, weitere Personen aus seinem Dunstkreis zu Wort. Auch diese haben nicht die einfachsten Voraussetzungen für ein angepasstes Leben in der Gesellschaft. Umso spannender ist es, ihnen auf ihrem Weg über die Schulter schauen zu dürfen. Durch die wenig beschönigende Beschreibung der verschiedenen Personen werden diese fassbarer, nahbarer. Ihre Ansichten müssen überhaupt nicht den eigenen entsprechen, nichtsdestotrotz zeigen sie auf, wie wichtig eine kollektive Auseinandersetzung ist, um aus dem eigenen Selbstverständnis herauszutreten. So scheint es am Ende der Trilogie doch eine Möglichkeit zu sein, dass andere, neue Formen des Miteinanders erstrebens- und lebenswert sind. 

 

 

Der Spartaner – Tom Zürcher (Lenos Verlag)  ausleihen

256 Seiten

Der Hauptprotagonist findet sich in einem Zimmer ohne Fenster wieder. In einem Sanatorium interniert, unterhält er sich täglich mit Frau Doktor über das Geschehnis im «Mörder». Man will herausfinden weshalb es an jenem Tag Tote gab. Mit Hilfe der Gespräche soll der Protagonist von seiner Beziehung zu seinem besten Freund, den Spartaner, berichten, um so mehr über diesen Menschen und der Bluttat herausfinden zu können. Allmählich offenbart sich durch die Therapie eine Wahrheit, die selbst dem Protagonisten fremd erscheint.

 

 

Machandel – Regina Scheer (Penguin Verlag)  ausleihen

496 Seiten

Dieses bereits im Jahr 2014 erschienene Buch von Regina Scheer lässt sich nur ganz schwer und ungern in vorgefertigte Schubladen einordnen. Ist es ein Familienroman? Ein historischer Roman? Eine Autobiographie? Ein bisschen von allem auf jeden Fall – ein Dokument eines vor dreissig Jahren zu Ende gegangenen Stücks deutscher und vor allem ostdeutscher Geschichte. Protagonistin dieses Buches ist Clara. Clara, die kurz vor dem Bau der Berliner Mauer in einem kleinen Dorf in ebendiesem titelgebenden Machandel geboren wird. Die Geschichte beginnt aber schon früher, nämlich zu Zeiten des endenden Zweiten Weltkrieges als sich Claras Eltern kennenlernen. Er, ein geflüchteter KZ-Häftling und sie eine Kriegsgeflohene aus Osteuropa. Alle leben sie im zum Flüchtlingslager umfunktionierten Schloss des Dorfes Machandel, was für Wacholder steht, der die Landschaft dort massgeblich prägt. Auch das Märchen der Gebrüder Grimm vom Machandelboom spielt eine wesentliche Rolle, vor allem für Clara, die es in ihrer akademischen Karriere zu DDR-Zeiten untersucht. Die Geschichte, die Regina Scheer erzählt ist zumeist eine recht düstere: Todesmärsche von KZ-Häftlingen, die Besetzungszeit nach dem Krieg, die innerdeutsche Grenze. All dies wird thematisiert und doch auch aus menschlicher Sicht beschrieben. Im weiteren Verlauf der Handlung wird zusätzlich der Lebensalltag zur Zeit der DDR genauer behandelt. Hierbei der Unterschied vom Leben auf dem Land und in der Stadt. Der Stadt Berlin. Dem Sitz der Regierung und gleichzeitig auch eine Hochburg des Widerstandes. Gerade jetzt, kurz nach dem dreissigjährigen Jubiläum des Mauerfalls und des Endes des Kalten Krieges, trägt dieses Buch dazu bei, einen Einblick in den damaligen Lebensalltag zu bekommen. 

 

 

Mein Vater war ein Mann an Land und im Wasser ein Walfisch – Michelle Steinbeck (Lenos Verlag)  ausleihen

153 Seiten

Loribeth ist mit ihrem Bruder und ihrer Mutter aufgewachsen, der Vater hat sie irgendwann verlassen. Nachdem sie versehentlich mit dem Bügeleisen ein Kind erschlagen und kurzerhand in den Koffer gesteckt hat, der eigentlich dem Vater gehört, rät ihr eine Wahrsagerin den Koffer dem Besitzer zurückzubringen. So beschliesst die Hauptprotagonistin das Gepäckstück mit samt dem Inhalt zu greifen und sich auf die Suche ihres Erzeugers zu machen. Auf dieser Reise begegnet sie diversen Charakteren und durchlebt etliche Abenteuer. 

Michelle Steinbecks Buch, das einem surrealistischen Gemälde ähnelt, stellt das Vorstellungsvermögen der Leserschaft auf die Probe, indem es kapriolenartige Sprünge durch die Erzähllandschaft schlägt. 

  • drucken